Der braunschweigische Soldat Heinrich Oppermann starb im Alter von 25 Jahren am 5. März 1871 in Château-du-Loir. Er hatte den deutsch-französischen Krieg überlebt. Aber nach dem Waffenstillstand infizierte er sich mit Typhus – ein typisches Soldatenschicksal im 19. Jahrhundert. Mehr als ein Drittel der Soldaten des braunschweigischen Infanterieregiments 92, die den Krieg nicht überlebten, waren Krankheiten zum Opfer gefallen. Und dennoch ist Heinrich Oppermanns Schicksal ein besonders Soldatenschicksal. Er hat nämlich Spuren hinterlassen.
Da ist zunächst das Denkmal, das seine Familie auf dem Friedhof in Salzgitter-Lebenstedt errichtete. Im Schuljahr 2020/21 erarbeiteten Schülerinnen und Schüler der IGS-Lebenstedt eine Geschichts- und Erinnerungstafel für das Denkmal.
Im Rahmen der Recherchen stießen sie auf die Briefe, die Heinrich seinen Eltern aus dem Krieg schrieb. Diese Briefe sind eine außergewöhnliche Quelle. Heinrich war kein Berufssoldat. Er war Wehrpflichtiger, der als Reservist wieder zu den Waffen gerufen wurde. Und so berichten seine Briefe eben nicht nur über das Militärische, es ist das Militärische gebrochen im Prisma des Zivilisten, der Uniform trägt. Ausführlich beschreibt Heinrich den Kontakt mit der französischen Zivilbevölkerung.
Seit der Entdeckung der Briefe habe ich in den Archiven der Departements, die Heinrich 1870/71 durchgequerte, nach Zeugnissen des Braunschweigischen Infanterieregiments 92 gesucht und bin auf zahlreiche Quellen gestoßen, die die französische Sicht auf die braunschweigischen Soldaten überliefern. Lokale Geschichtsvereine interessieren sich sehr für die Arbeit. Und so hat der Geschichtsverein in Fleury-les-Aubrais bei Orléans mich zu einem Vortrag eingeladen. Etwa 80 Zuhörer verfolgten Heinrichs Weg durch Frankreich von der Belagerung von Metz in das Gebiet der Loire und weiter in die Sarthe nach Le Mans.
Es ist geplant, die Briefe in einer kritischen Edition neu herauszugeben, die auch französische Quellen berücksichtigen wird, ganz im Sinn eine „histoire parallèle“, einer vergleichenden deutsch-französischen Sicht auf den Krieg. „Radio Flora“ berichtete über das Projekt.
Heinrichs Grab in Château-du-Loir existiert heute nicht mehr. Der Friedhof, auf dem deutsche und französische Soldaten 1870/71 beerdigt worden waren, wurde Ende der1940er Jahre aufgelöst. Nur das französische Kriegerdenkmal wurde auf den neuen Friedhof umgesetzt. Als ich den Bürgermeister und die Vertreter des Souvenir Français auf das Verschwinden der deutschen Gräber ansprach, schlugen sie sofort vor, eine Gedenktafel mit dem Namen der deutschen und französischen Soldaten an das französische Kriegerdenkmal anzubringen. Das geschah im April 2022. Das nationale französische Denkmal wurde so zu einem deutsch-französischen Denkmal – ein gelungenes Beispiel für gemeinsames Gedenken ehemals tief verfeindeter Völker. Die lokale Presse berichtete sehr zustimmend über die Veranstaltung.
Ausgangspunkt war die Bildungsarbeit im Bezirksverband Braunschweig: die Geschichts- und Erinnerungstafel der IGS-Salzgitter. Dieses Beispiel zeigt, wie die Bildungsarbeit des Volksbunds wirkt. Sie macht Gedenkorte im Inland lesbar für unsere Gegenwart und sie initiiert neue, in diesem Fall deutsch-französische Gedenkorte. Es ist die Bildungsarbeit, die das Motto des Volksbunds „gemeinsam für den Frieden“ mit Leben erfüllt.
Bezirksverband Braunschweig