Auf dem Friedhof in Münchehof wurde eine Geschichts- und Erinnerungstafel eingeweiht, die über die Geschichte des „TSCHLAND-Steins“ informiert und auch das Schicksal von drei KZ-Opfern klärt.
Vor drei Jahren war es einer Arbeitsgruppe der Oberschule Seesen unter Leitung von Dr. Thomas Droste gelungen, drei Tote aus dem Massengrab zu identifizieren. Die Schülerinnen und Schüler stellten provisorische Holzstelen auf, die die Namen der Toten trugen. Nun hat die Stadt Seesen einen Grabstein aufrichten lassen und eine neue Arbeitsgruppe unter der Leitung von Cédric Carenini hat eine Geschichts- und Erinnerungstafel erarbeitet.
Schon an der Einweihung der Stelen vor drei Jahren waren Angehörige der Toten aus Frankreich angereist. Sie kamen auch zur Einweihung der Geschichts- und Erinnerungstafel.
Patrice Cordier hatte seinen Vater das letzte Mal 1943 als fünfjähriger Junge gesehen. Nun kam er wieder nach Münchehof zusammen mit seiner Tochter Lauriane Chiss und seinem Enkel, ebenso wie die Enkel von Auguste Barray. Sie zeigten sich tief beeindruckt von der Arbeit der Schülerinnen und Schüler. Lauriane Chiss erklärte: „Ihre Arbeit beweist, dass jede Geschichte, selbst die gewöhnlichste in Bezug auf den damals erlebten Horror, eine tiefe Bedeutung hat. Dank Ihres Einsatzes haben Sie es unserer Familie ermöglicht, das Andenken an Maurice Cordier wiederherzustellen und eine schmerzhaft unterbrochene Linie wieder aufzunehmen. Aus tiefstem Herzen danke ich Ihnen, dass Sie ihm diese verlorene Würde zurückgegeben haben, danke, dass Sie meinem Großvater seinen rechtmäßigen Platz in unserer Mitte wiedergegeben haben.“
Die Stellungnahmen der Angehörigen offenbaren, das die Bildungsarbeit des Volksbunds die entscheidende Vermittlungsebene ist. Erst sie lässt die Geschichten hinter den Grabsteinen aufscheinen, so äußerte sich auch Patrice Cordier:
„Als ich das Foto meines Vaters entdeckte, das für diese Tafel ausgewählt wurde, war ich von seinem visuellen Kontrast beeindruckt. Es zeigt einen eleganten, lächelnden Mann – das absolute Gegenteil des Aussehens des Häftlings Nummer 49.911, der hier am 10. April 1945 beerdigt wurde. Dieser Häftling, bekleidet mit der berüchtigten gestreiften beschmutzen und zerrissenen Kleidung, mit den Narben der mörderischen Brutalität der SS und der Kapos seit seiner Ankunft im Lager Buchenwald im Jahr zuvor. Dieses Foto ist eine Wiedergutmachung. Denn hier ruht nicht die Nummer 49.911 – Hier ruht ein würdevoller Franzose, der gegenüber dem Feind seine Pflicht tat.“
Die Brüder Lachaud hatten ihren Großvater Auguste Barray nie kennengelernt, aber er war immer anwesend durch die Erzählungen seiner Frau, ihrer Großmutter. Auguste Barray hatte Ausweispapiere gefälscht und Juden versteckt. Im Januar 1944 wurde er in das KZ-Buchenwald deportiert. Die Brüder Lachaud schlugen die Brücke zur Gegenwart. Die Rückkehr des Krieges nach Europa zeige, „dass der Frieden zerbrechlich ist und dass wir den Willen zum Widerstand in uns bewahren müssen, um die Barbarei zu bekämpfen.“ Sie fuhren fort: „Widerstand zu leisten war das, was unser Großvater wie die Herren Cordier und Gagneux, seine Leidensgenossen, getan haben. Er leistete Widerstand, weil er ein selbstloser Mensch war, der die Vorstellung nicht ertragen konnte, dass man sein Heimatland einer fremden Willkür unterwerfen wollte, und auch nicht, dass man Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Religion verfolgte.“ Auch die Brüder Lachaud hoben die Bedeutung der Bildungsarbeit hervor: „Das Besondere und Ermutigende an diesem Projekt ist, dass junge Menschen daran teilgenommen haben. Und sie können die Erinnerung weitergeben, die unbedingt bewahrt und vermittelt werden muss, da es immer weniger Zeitzeugen gibt.“
Mehr als 150 Personen nahmen an der Einweihung der Geschichts- und Erinnerungstafel teil. Die Veranstaltung war ein starkes Plädoyer für die Bildungsarbeit des Volksbunds. Die Aussagen der Angehörigen sind ein weiterer Beleg dafür, dass der Anspruch des Volksbunds „lettres mortes“ bliebe, wenn es nicht die Bildungsarbeit gäbe.
Die Lokale Presse berichte ausführlich ebenso wie die Regionalprogramme des NDR und von Sat1.
Bezirksverband Braunschweig